Wie man stark wird und Muskelabbau verhindert

16. August 2023

Nur 6% absolvieren Krafttraining im empfohlenen Maße

Jeder weiß, Bewegung spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Doch die meisten Menschen ignorieren dabei eine entscheidende Komponente: das Krafttraining. Nach Angaben US-amerikanischer Bundesforscher, absolvieren nur 6 Prozent aller Erwachsenen das empfohlene Minimum von zwei kräftigenden Trainingseinheiten pro Woche. Doch Widerstandstraining – oder jede Art von Training, das Kraft und Muskeln aufbaut – zu ignorieren, ist ein großer Fehler. Es kurbelt deinen Stoffwechsel an, senkt dein Körperfett und schützt dich vor den häufigsten Ursachen von Behinderungen oder frühem Tod. Du musst keine Gewichte stemmen wie ein Bodybuilder (oder wie einer aussehen), um von Krafttraining zu profitieren. Und es ist nie zu spät, damit anzufangen. Muskelaufbau hat viele direkte, unmittelbare Vorteile für deinen Körper.

Kampf gegen Muskelabbau

Unsere Muskeln sind von unschätzbarem Wert. Sie sind der Grund, warum wir gehen, laufen, klettern und Dinge herumtragen können. Aber wenn wir älter werden, beginnen sie zu schmelzen. Der Muskelabbau beginnt, wenn wir unsere 30er Jahre erreichen. Nach dem 40. Lebensjahr verlieren wir im Durchschnitt 8 Prozent unserer Muskelmasse pro Jahrzehnt und dieses Phänomen beschleunigt sich nach dem 60. Lebensjahr noch weiter. Studien zeigen, dass dieser Muskelabbau das Auftreten von Krankheiten beschleunigt, die Mobilität einschränkt und mit einem vorzeitigen Tod in Verbindung steht. Und auch auf deine Knochen hat dies negative Auswirkungen. Denn die gleichen Faktoren, die dir helfen deine Muskeln zu erhalten, halten auch deine Knochen stark und dicht. Verliert man also mit dem Alter Muskeln – ein Prozess, der Sarkopenie genannt wird – werden auch die Knochen brüchig (Osteopenie), so Dr. Wayne Westcott, Professor für Trainingswissenschaften am Quincy College in Massachusets. „Die Knochen, Muskeln, Bänder und Sehnen in deinem Bewegungsapparat arbeiten alle zusammen, und sie werden entweder zusammen stärker oder zusammen schwächer“. So besteht bei Muskelabbau auch ein höheres Risiko für Osteoporose, Arthritis, chronische Rückenschmerzen, Gebrechlichkeit und Frakturen. Die meisten Menschen akzeptieren den Verlust von Muskeln und Knochen und alle damit verbundenen Nachteile als natürlichen Teil des Alterns. Doch Studien zeigen, dass durch ein Muskelaufbauprogramm, das den ganzen Körper trainiert, diese Prozesse um Jahre oder sogar Jahrzehnte verzögert werden können. Wissenschaftler des Buck Instituts für Altersforschung, fanden heraus, dass bereits zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche die altersbedingten Zellschäden, die zu Sarkopenie und Funktionseinschränkungen führen, rückgängig machen können. „Widerstandstraining ist, was einem Jungbrunnen am nächsten kommt“, sagt Brad Schoenfeld, Assistenzprofessor für Trainingswissenschaften und Leiter des Human Performance Laboratory am Lehman College in New York.

Muskeln aufbauen, länger leben

Im Jahr 2014 entdeckten Forscher der medizinischen Fakultät der University of California, etwas Erstaunliches. Über ein Jahrzehnt begleiteten sie etwa 4.000 gesunde Erwachsene über 55 Jahren und stellten fest, dass ihre Muskelmasse eng mit ihrer Lebenserwartung verbunden war. Dafür ermittelten die Forscher den „Muskelindex“ jeder Person – die Muskelmasse geteilt durch die Körpergröße im Quadrat. Die Personen in der Gruppe mit dem höchsten Muskelindex, hatten die niedrigste Sterblichkeitsrate, und umgekehrt. Es zeigte sich, dass der Muskelindex, einen besseren Vorhersagewert für vorzeitige Sterblichkeit darstellt, als Fettleibigkeit. In einer anderen Studie wurden über 2.200 Männer mittleren Alters bis zu 44 Jahre lang begleitet. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass körperliche Aktivität und „gute Muskelkraft“ im mittleren Alter zu den stärksten Prädikatoren für eine längere Lebensspanne gehören. Im Laufe der Jahre haben auch eine Reihe anderer Studien aufgezeigt, warum Widerstandstraining so wertvoll sein kann.

 

  • Es verbessert die kardiovaskuläre Gesundheit. Widerstandstraining erhöht den Blutfluss zu den Muskeln im ganzen Körper, wodurch der Blutdruck gesenkt wird.
  • Es verbessert signifikant deine maximale Sauerstoffaufnahme und deine allgemeine kardiorespiratorische Fitness. Studien brachten dies mit einer besseren Herzgesundheit und einem geringeren Risiko, an Krebs zu sterben, in Verbindung.
  • Die Skelettmuskulatur hilft, den Blutzucker zu regulieren und zu entsorgen. Die Muskulatur saugt Glukose wie ein Schwamm auf, nutzt sie zur Energiegewinnung oder speichert sie als Glykogen für den späteren Gebrauch. Widerstandstraining macht Sie insulinempfindlich. Um Glukose aus dem Blutstrom aufnehmen zu können, müssen Ihre Muskelzellen auf das Hormon Insulin reagieren, das den Blutzucker in die Zellen schiebt. Werden die Muskeln insulinresistent, kann dies zur Entstehung von Typ-2-Diabetes führen. Widerstandstraining bewirkt das Gegenteil: Es macht die Muskeln insulinempfindlich.
  • Muskulatur wirkt wie ein Schutzpanzer gegen Diabetes. Eine Studie aus dem Jahr 2011 im Journal of Endocrinology & Metabolism fand heraus, dass eine Erhöhung des Skelettmuskelindexes um 10 Prozent, das Risiko einer Insulinresistenz um 11 Prozent und das Risiko eines Prädiabetes um 10 Prozent senken kann.

Muskeln aufbauen, Fett abbauen ohne Jojo Effekt

Einer der unerwünschten Nebeneffekte des Muskelabbaus im Alter ist, dass wir auch zunehmen. Im Durchschnitt setzt der Mensch im mittleren Alter etwa ein halbes Kilogramm Fett pro Jahr an. Das bedeutet, dass sich die Zusammensetzung unseres Körper stark verändert: Muskeln bauen sich ab und Fett schleicht sich an ihre Stelle. Dadurch verlangsamt auch der Stoffwechsel, da Muskeln stoffwechselaktiver sind als Fett und man kommt in einen Teufelskreis. Doch eine kürzlich durchgeführte Studie liefert beruhigende Erkenntnisse. Sie untersuchte die Auswirkungen von Diät- und Trainingsprogrammen bei 250 Menschen über 60 Jahre, um zu vergleichen, wie sich diese auf die Fett- und Muskelzusammensetzung auswirkten. Die Probanden wurden in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe reduzierte die tägliche Nahrungsaufnahme um 300 Kalorien. Die zweite Gruppe machte zusätzlich viermal pro Woche etwa 45 Minuten Aerobic-Training und die dritte Gruppe ergänzte die Kalorienreduktion mit einem Krafttrainingsprogramm. Die Ergebnisse waren verblüffend. Die Probanden, bei denen die Diät mit Bewegung kombiniert wurde, verloren am meisten Gewicht – durchschnittlich etwa 9 Kilogramm. Aber während die Aerobic-Gruppe im Schnitt ungefähr 7 Kilo Fett und circa 2 Kilo Muskeln verlor, baute die Krafttraining-Gruppe mehr Fett (ca. 8 kg) und weniger Muskelmasse (ca. 1 kg) ab. Andere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen und bestätigten, die Ernährungsumstellung mit Krafttraining zu kombinieren ist eine der besten Möglichkeiten, Fett zu verbrennen und Muskeln zu erhalten.

Wieviel solltest du trainieren?

Du kennst wahrscheinlich das alte Sprichwort: „Ohne Fleiß kein Preis“. Die wichtigste Erkenntnis beim Muskelaufbau ist, dass deine Muskeln nicht wachsen, wenn du ihnen keinen Grund dafür gibst. Unabhängig davon, welches Trainingsprogramm du durchführst, ist es notwendig, deine Muskeln bis zur Erschöpfung zu beanspruchen. „Beim Widerstandstraining geht es darum, hart zu trainieren – wenn du dich nicht anstrengst, wirst du nicht viel Erfolg sehen“, so Dr. Schoenfeld. „Du musst bei jedem Satz ziemlich nahe an die Grenze des Versagens kommen.“ Die Anzahl der Wiederholungen, die du ausführst, ist also weniger wichtig als der Erschöpfungsgrad deiner Muskulatur. Du solltest so viele korrekt ausgeführte Wiederholungen machen, wie nötig sind, um ein momentanes Muskelversagen zu erreichen. Das ist der Punkt, an dem du deine Muskeln zum Wachstum und zur Anpassung stimulierst. Laut Dr. Westcott, ist die letzte Wiederholung, die du richtig ausführen kannst, der Schlüsselreiz für den Muskel- und Kraftaufbau. Wenn dein Workout dich nicht herausfordert, wird es dich nicht verändern.

Mindestens zwei Trainingseinheiten pro Woche anstreben

Erwachsene sollten laut den Trainingsleitlinien der amerikanischen Bundesregierung, mindestens zweimal pro Woche ein muskelkräftigendes Training durchführen. Zu den empfohlenen Übungen, gehören das Heben von Gewichten, die Arbeit mit Widerstandsbändern, Yoga und schwere Gartenarbeit. Dies kann den Blutdruck verbessern, das Körperfett senken und die Muskelgröße und -kraft verbessern. Die meisten Studien legen jedoch nahe, dass die Übungen ausreichend anspruchsvoll sein müssen. Während also Aktivitäten, wie Gartenarbeit und Yoga großartig für dich sind, solltest du sie nicht als Teil deiner Trainingsroutine betrachten. Es gibt nur sehr wenige Belege dafür, dass diese eine Verbesserung der Kraft bewirken. Wenn es um kräftigende Übungen geht, konzentriere dich auf Hanteln, Widerstandsbänder, Widerstandsmaschinen und Eigengewichtsübungen. Außerdem solltest du darauf achten, dass dein wöchentliches Training alle wichtigen Muskeln im Körper beansprucht. Mache nicht den Fehler, dich nur auf die „Strandmuskeln“ zu konzentrieren, die du im Spiegel sehen kannst. „Du musst wirklich deinen ganzen Körper trainieren und du musst deine Muskeln wirklich fordern, unabhängig von deiner Routine“, so Dr. Schoenfeld. „Sonst wirst du sehr schnell ein Plateau erreichen.“

Messen statt schätzen

Der Single-Leg Sit Test – Was können deine Beine?

Stelle dich auf einem Bein etwa 30 cm vor eine Bank. Strecke das andere Bein vor dich aus, setze dich auf die Bank und steh wieder auf, während du das Bein weiterhin in der Luft hältst. Mache drei Wiederholungen und wechsele anschließend die Seite. Hast du jede Wiederholung richtig ausgeführt? Fantastisch. Wenn du ein oder zwei Wiederholungen pro Seite machen konntest, bist du gut. Schaffst du keine einzige korrekt ausgeführte Wiederholung, dann ist das ein Hinweis darauf, dass du deinen Unterkörper kräftigen sollten.

Der Push Up Test –

Wie stark ist dein Oberkörper im Vergleich zu anderen

Wie viele Liegestütze kannst du ohne Pause machen? Mit diesem Online-Rechner, bekommst du ein Gefühl für deine Oberkörperkraft im Vergleich zu anderen Personen deines Alters und Geschlechts: https://exrx.net/Calculators/PushUps

 

Was ist dein „Fitness-Alter“?

Ein häufiger Irrglaube ist, dass Widerstandstraining keinen Einfluss auf die aerobe Kondition hat. Studien zeigen jedoch, dass ein achtwöchiges Widerstandstrainingsprogramm deine maximale Sauerstoffaufnahme V02max steigern kann. Diese ist ein Maßstab für die Fähigkeit deines Körpers, Sauerstoff zu verwerten und damit für deine kardiovaskuläre Ausdauer. Entscheidend ist, die Ruhezeiten zwischen den Sätzen relativ kurz zu halten, um die kardiorespiratorische Komponente des Trainings zu erhöhen. Es gibt Methoden, die V02max zu schätzen. Damit kannst du dann dein „Fitness-Alter“ berechnen, welches ein besserer Prädiktor für Langlebigkeit ist, als dein chronologisches Alter. Und das Beste daran: Im Gegensatz zu deinem chronologischen Alter, kannst du die Uhr bei deinem Fitnessalter tatsächlich zurückdrehen. Der Weg dorthin führt über Bewegung, einschließlich Krafttraining.
Berechne hier dein eigenes Fitnessalter: https://www.worldfitnesslevel.org/#/

Wie geht man mit Muskelkater um?

Die schlechte Nachricht: Wenn du richtig Krafttraining machst, wirst du mit ziemlicher Sicherheit Muskelkater bekommen. Aber es gibt einige Methoden, die helfen können, diesen zumindest zu reduzieren.- Faszienrollen: In den letzten Jahren sind Faszienrollen immer beliebter geworden. Sie sollen helfen, Muskelkater zu reduzieren und Verspannungen in den Muskeln und dem sie umgebenden Bindegewebe zu lösen.

Was helfen könnte

  • Arnika: Dieses Kraut, das als beispielsweise als Gel verkauft wird, soll ebenfalls nach dem Training gegen Muskelkater helfen. Es gibt jedoch nicht viele Nachweise für die Wirksamkeit.
  • Massage-Therapie: Eine kürzlich veröffentlichte Meta-Analyse ergab, dass Massagetherapie den Muskelkater und die damit verbundenen Kreatinkinase-Werte 24 Stunden nach dem Training verringert. Die Auswirkungen waren jedoch zu gering um klinisch relevant zu sein. Letztlich hängt es von der Art der Massage und der Person ab, ob es funktioniert oder nicht. Aber schaden kann es sicher nicht.
  • Aktive Erholung: Die Durchblutung des betroffenen Bereichs zu erhöhen, ist eine einfache Methode Muskelkater zu lindern und entzündliche Nebenprodukte abzutransportieren. Versuchen Sie es mit einem Spaziergang oder leichtem Schwingen der Arme nach einem harten Training, um den Blutfluss anzuregen.

Was wahrscheinlich nicht hilft

Leider sind viele Techniken, die angeblich Muskelkater reduzieren können, nicht sonderlich effektiv.

  • Dehnen: Viele Menschen dehnen sich vor oder nach dem Training, um Muskelkater vorzubeugen. Doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse legen nahe, dass Muskeldehnung vor oder nach dem Training keine Auswirkung auf die Intensität oder das Auftreten von Muskelkater hat.
  • Schmerztabletten: Die Verwendung von rezeptfreien Schmerzmitteln wie Ibuprofen, um den Muskelkater nach dem Training zu reduzieren, bringt wenig Linderung und kann sogar zu zusätzlichen Problemen führen. Einige Studien legen nahe, dass sie die Fähigkeit des Körpers, Muskeln zu reparieren, sogar hemmen können
  • Kältetherapie: Bei einigen Sportlern ist es üblich, die Muskeln nach einem anstrengenden Spiel oder Training mit eiskalten Temperaturen zu beruhigen. Manche hüpfen gerne in ein Eisbad. Es gibt jedoch nur unzureichende Beweise für den Einsatz von Kryotherapie zur Linderung von Muskelkater nach dem Training gibt.

Zeit zu trainieren

Nun hast du erfahren, warum Kraftaufbau unabdingbar ist. Um herauszufinden wie du das am besten umsetzen kannst, vereinbare einfach einen Beratungstermin im Therapiezentrum Rombach und lasse dir von unseren Therapeuten einen individuell auf dich zugeschnittenen Trainingsplan erstellen.

 

Der Originalartikel erschien in der New York Times: https://www.nytimes.com/guides/year-of-living-better/how-to-build-muscle-strength?fbclid=IwAR3huQvxe9UoL_6_eWk4ukMzCeiIZcio29zwYVKd_kmQj9u43Hn-RiBFEIc

Übersetzt von unserer mehr als talentierten Physiotherapeutin: Silia Kaiser